Aus einem GEWEBE-MANIFEST Berlin 1983
Silvia Klara Breitwieser
Oberfläche - Haut - Gewebe
Die Körperlichkeit von Flächen



...
Der lebende Organismus gleicht einem GEWEBE AUS GEWEBEN, und alle hergestellten Gewebe erinnern an die Naturgewebe. Weshalb z. B. ein Teil der sogenannten Textilkunst sich permanent im Kreis bewegt, das ist, weil sie die TEKTONIK von Geweben und Oberflächen nicht genug durchdenkt, zu wenig Haut- und Gewebekunde treibt und Gewebe „nur oberflächlich“ erfährt statt vordergründig, unter- und hintergründig als das InBild von Natur-, Lebens und Gesellschaftszusammenhängen.

...
Erschreckend ist, wie oberflächlich wir Oberfläche erleben, nämlich eindimensional, ein-sinnlich und meist nur über den Augensinn, den medien-strapazierten, flachsten aller Sinne. All-sinnlich aufgenommene Oberfläche aber ließe auch all-sinnlichere Schlüsse zu. Hier ist die Skulptur aufgerufen. Hier hat sie eine neue Aufgabe: die bewusste Produktion von Oberfläche(n).

Welch ein schwieriges Unterfangen..., Oberflächen wie Haut und Gewebe Skulptur werden zu lassen. Die Skulptur muss dabei Formprobleme zugunsten von Strukturproblemen zurücktreten lassen. Sie kann die Oberfläche als Oberfläche betonen und ihre taktile Wertigkeit ausdrücklicher machen (sieh die Faltenkunst der Antike). Sie muss vor allem versuchen, die Oberfläche als solche zu verselbständigen, indem sie sie loslöst, isoliert und nur noch indirekt auf den Menschen bezieht. Erst dann kann die Plastizität vom (Unter-)Grund der Oberfläche her aufgebaut, d.h. neu aufgebaut werden.

...
Jedes Stoffgewebe ist die Ausbildung eines Inbildes und dies nach dem Vorbild unseres Körperinnengewebes, - also eine Veräußerung von inneren Bauprinzipien nach dem Muster der weichen, harten oder festen Gewebe wie der Binde-, Nerven-, Muskel- und Knochengewebe. „Ich lebe in einer Welt, die in mir ist“ (Paul Valéry).

SKB 1983

 

silvia.breitwieser(AT)berlin.de
WWW www.silvia-breitwieser-berlin.de
Silvia Klara Breitwieser @ CultD