Philosophie

Jean Baudrillard † | Paris
portrait
Jean Baudrillard, Paul Virilio
© C. Gehrke

"...in endloser Vernetzung miteinander verknüpft..."

"Kommunikation hängt mit dem Problem der Unzertrennbarkeit zusammen. Die Unzertrennbarkeit der Partikel, die Kommunikation, die Infrakommunikation findet zwischen Partikeln und Antipartikeln statt. Es gibt auf dieser Ebene eine Art von Kommunikation, die anders funktioniert als die soziale Medien-Kommunikation. Diese ganz andere Art der Kommunikation besteht darin, dass alles in endloser Vernetzung miteinander verknüpft ist. Nichts ist trennbar oder zertrennbar. Das ist etwas ganz anderes als die konventionelle Kommunikation zwischen uns, in der es einen Rezeptor, einen Emmitteur und ein Medium gibt. Diese Art Unzertrennbarkeit entwickelt sich ohne Medium - und die Frage danach, was dort geschieht, ist fast eine mystische Frage. Wir müssen diese physische Tatsache in das Metaphysische übersetzen und versuchen, dieses Prinzip auch in die Naturwissenschaften und in die Sozialwissenschaften einzubringen. (...)

In der konventionellen Logik entdeckt man die Dinge, das heisst, man versucht, sie mit Hilfe von Wissenschaft oder Rationalität zu entdecken. Es gibt ein Postulat der Wirklichkeit, der Realität der Dinge, und man versucht, ihm näher und näher zu kommen und es aufzudecken. Überall heute ist es der einzige Weg der Entdeckung. (...)
Dagegen räume ich der Erfindung einen anderen Platz, gekoppelt an die Illusion, ein - eine Welt erfinden, aber nicht als Fiktion, sondern gerade als Rätsel. Erfindung ja, aber man weiss nicht, was man erfindet. Wenn man etwas entdeckt, dann weiss man gewissermassen, was man entdeckt, und man versucht, diese Dinge näher zu bezeichnen. Man erfindet nicht mehr. Wir leben in der Zeit der Entdeckung, der Wiederentdeckung. Das entspricht nicht dem Rätsel. Was erfunden wird, bleibt immer ein Rätsel, weil es nämlich als Objekt immer aufgeschoben wird. Es wird im Grunde nie zum Objekt. Die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt bleibt unentschieden. Das Problem der Subjektivität ist hier aufgehoben - nicht radikal natürlich. In dem Rätsel, in dieser Aktivität der Illusion hebt sich das Subjekt auf und ergreift gewissermassen die Partei des Objekts. Das aber kann nie vollständig gelingen, und so bleibt man immer im Bereich der Indifferenz zwischen Objekt und Subjekt. (...)
In der Entdeckung hingegen ist die Position, die Stellung des Subjekts einigermassen sichergestellt, und damit entsteht das Problem der Entdeckung des Objekts. Das ist eine ganz andere Position."

Auszug aus: Zeit und Kommunikation. Jean Baudrillard im Gespräch mit Eckhard Hammel, in: Information Philosophie 5 (Dezember 1994), S. 12-16. zitiert nach baudrillard.cultd.net

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Legende zur Collage

Jean Baudrillard (1929-2007), Dietmar Kamper (1936-2001), Walter Benjamin (1892-1940)
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