Kunst der Freundschaft

Solveig Kamper | Köln
portrait

das unsichtbare netz

man kann es nicht sehen.
man kann es nicht anfassen.
Spüren und Fühlen kann man es.

es gibt einem Halt. es fängt einen auf.
es hält einen fest. man verfängt sich in ihm.

es ist locker gestrickt.
oder hat sehr enge maschen.
die Fäden können sehr dünn sein.
oder man spürt dicke taue.

die Fäden verbinden Bekanntes.
oder lassen einen mit noch unbekanntem verwoben sein.

die verbindungen scheinen energie zu sein.
man ist sich ihrer bewusst.
oder man spürt sie nicht. man ist nicht auf empfang.

es gibt angenehme energiefäden.
und es gibt negative, die einen trotzdem (an)ziehen.

es gibt das unsichtbare netz der Freunde, das der Familie.
es verbindet vertrautes, verwandtes...
oder es zieht einen in die Fremde, das netz des unbekannten.

manchmal scheint es, als wäre alles miteinander verwoben.

 

diese gedanken-Fetzen fügen sich zusammen zu Bildern, zu erinnerungen...

Ich möchte von zwei mir wichtigen Erinnerungen erzählen, in denen sich das unsichtbare Netz der Familienbande für mich spiegelt.

die erste erinnerung:
Im Jahr 1992 saß meine Familie zum Essen zusammen am Tisch in unserem Kladower Haus in Berlin. Dies war nicht mehr selbstverständlich, da ich schon länger von zu Hause ausgezogen war und seit einiger Zeit in Köln lebte.
Wir alle gingen unsere Wege. Deshalb war es ein besonderer Moment im alltäglichen Trott. Wir aßen und unterhielten uns. Meine Mutter warf irgendwann einen Blick auf ihre Uhr. Sie sah zweimal hin und wirkte irritiert. Es wurde klar, dass ihre Uhr vor einigen Minuten stehengeblieben war. Es war ein Moment des Innehaltens, da wir aus der Zeit waren und gemeinsam überlegten, wie spät es nun tatsächlich war.
Später an diesem Tag erfuhren wir, dass die Mutter meiner Mutter, unsere Oma in Krefeld gestorben war. Sie hatte aufgehört zu atmen ungefähr da, als die Uhr meiner Mutter stehenblieb.

die zweite erinnerung:
Im Jahr 2001 - kurze Zeit nach dem Tod meines Vaters staubsaugte ich in meiner Wohnung in Köln. Nele, meine Tochter, die damals fast 2 Jahre war und Oliver waren nicht zuhause. Allein zuhause - ein seltener Moment in dieser Zeit. Ich war mit dem Staubsauger im Flur angelangt und musste die Steckdose wechseln, da das Kabel zu kurz wurde. Der Staubsauger wurde still und in diesem Moment hörte ich eine Stimme, die mir vertraut vorkam. Ich begriff, dass die Stimme aus unserem Anrufbeantworter kam und dann erkannte ich die Stimme. Es war die Stimme meines Vaters. Mir blieb die Luft weg. Erst nach und nach realisierte ich, dass die Stimme eine aufgezeichnete Stimme war. Ich hatte eine Nachricht meines Vaters für mich gehört, die er einmal dort hinterlassen hatte. Was hatte sich da gesponnen, dass ich diese Worte hören konnte?

Ich danke meiner Mutter sehr für ihren Sinn für die „Gewebe des Lebens“!

 

Biografie Zu meiner Person. 1966 in München geboren. Lebe seit 1989 in Köln. Meine Familie: Oliver, Nele (2000), Lasse (2002). Habe mehrere Berufsleben: Steuerfachgehilfin, Dipl. Pädagogin, Theaterpädagogin