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Michael Maiworm | Berlin
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© M. Maiworm

Die Kraft der "neuen" Medien*
von Michael Maiworm

"Die neuen Medien haben ... das Staatsmonopol auf Information aufgebrochen", schreibt der amerikanische Historiker Paul Kennedy in seinem 1993 erschienenen Buch "In Vorbereitung auf das 21. Jahrhundert". Er meint die in der Mitte des 20. Jahrhunderts "neuen" Medien Hörfunk und Fernsehen, die wesentlich dazu beitrugen, daß zunächst in Deutschland, dann in Europa und später in Rußland die Diktaturen der braunen und roten Staatsparteien überwunden wurden.

Diktaturen haben nur solange Bestand, wie sie über das Informations- und Meinungsmonopol verfügen. Anfangs war - vor allem in Nazi-Deutschland - das damals "neue" Medium Hörfunk ein nützliches Propagandainstrument für Diktatoren. Doch mit wachsender technischer Reichweite waren immer mehr ausländische "Feindsender" zu empfangen, was bei schwerer Strafe verboten war aber letztlich doch nicht unterbunden werden konnte. Der Hörfunk, der den Nazis zum Aufstieg verholfen hatte, leitete schließlich ihren Untergang ein.

Den gleichen Effekt bewirkte 40 Jahre später das Fernsehen in der DDR und in der Sowjetunion: Nachdem fast überall in der damaligen DDR West-Programme zu empfangen waren, konnten die Machthaber in Ost-Berlin den Menschen zwischen Elbe und Oder nicht mehr weismachen, daß auf der anderen Seite der Mauer "der Räuber Hotzenplotz haust", wie Alfred Dregger 1989 formulierte. Das Fernsehen entzog den roten Diktatoren die Legitimationsbasis und überwand die Mauer.

Medien brechen Mauern - das ist nicht erst heute so. Ein Blick in die Geschichte lehrt, daß Informations- und Meinungsmonopole von in den jeweiligen Epochen "neuen" Medien gebrochen wurden. Anders betrachtet: Die großen Innovations- und Reformschübe der jüngeren Geschichte wurden von jeweils "neuen" Medien begleitet und teilweise erst ermöglicht. Zugleich bewirkten die "neuen" Medien jeweils eine Beschleunigung des Flusses von Informationen, Meinungen und Nachrichten.

Der erste große Innovations- und Reformschub war der Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit. Das "neue" Medium jener Epoche war die Erfindung des Johannes Gutenberg aus Mainz: Das mit beweglichen Lettern gedruckte Buch. Vor dieser Erfindung waren Bücher Medien nur für eine Handvoll Auserwählter. Sie wurden nur in einem oder in ganz wenigen Exemplaren hergestellt und waren so kostbar und teuer, daß sich nur ganz wenige, begüterte Menschen oder Organisationen (z.B. Klöster) Bücher überhaupt leisten konnten. Nach Gutenbergs Erfindung wurden Bücher, vor allem aber Flugschriften, die schnell in hohen Auflagen hergestellt und verbreitet werden konnten, ein neues Massenmedium.

Ohne diese damals "neuen" Medien wäre Martin Luthers geistige Revolution, die man heute "Reformation" nennt, kaum denkbar gewesen. Mit dieser Revolution wurde das religiöse Meinungsmonopol der katholischen Kirche und das Informationsmonopol des Adels und des gehobenen Klerus gebrochen. Das Buch verlieh "dem Gedanken Flügel", wie Victor Hugo in seinem Roman "Der Glöckner von Notre Dame" schrieb (vgl. KoPo 4/98). Es war der Transmissionsriemen für die Gedanken und damit das "Schmiermittel" für diesen ersten großen Innovations- und Reformprozeß der jüngeren Geschichte.

300 Jahre später wurde das nächste Monopol gebrochen: Die auf Gottesgnadentum fußende Adelsherrschaft. Auch dieser Innovationsschub hatte "sein" neues Medium, das Transmissionsriemen und Schmiermittel war: Die Tageszeitung. Zeitungen gab es auch schon vor der Französischen Revolution; aber erst mit der Französischen Revolution und so richtig erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich die Zeitung mit täglicher Erscheinungsweise und hoher Auflage mehr und mehr als Leitmedium der allenthalben in Europa einsetzenden Demokratisierung durch.

Die Tageszeitung beschleunigte gegenüber dem Buch die Verbreitung von Ideen und Nachrichten. Man nennt die Demokratie auch einen ständigen Dialog aller mit allen. Ein solcher Dialog ist ohne einen kontinuierlichen, schnellen Nachrichtenfluß nicht organisierbar. Trägermedium für den Nachrichtenfluß war zunächst die Tageszeitung. Im späten 19. Jahrhundert kam der Telegraph hinzu, und im 20. Jahrhundert - in logischer Weiterentwicklung - die drahtlose Telegraphie und darauf beruhend Radio und Fernsehen. Telegraphie, Radio und Fernsehen beschleunigten den Nachrichtenfluß weiter.

Jetzt, am Ende des 20. Jahrhunderts, sind wir Zeitzeugen des nächsten großen Innovations- und Reformsschubs, der allerdings gerade erst begonnen hat (Stichworte: Globalisierung, Überwindung des Ost-West-Gegensatzes). Auch dieser Innovations- und Reformschub wird durch ein neues Medium begleitet und teilweise erst ermöglicht: Die Computer-Kommunikation. Sie beschleunigt den Austausch von Gedanken, Ideen und Nachrichten auf den größten zur Zeit denkbaren Grad: Die weltweite Verbreitung ohne meßbaren Zeitverlust. Ein Dokument oder sonstiger Inhalt, der von einem Anbieter irgendwo auf der Welt ins Internet gestellt wird, ist für alle potentiellen Nutzer auf der Welt - wenn man potentielle technische Pannen, die immer wieder vorkommen, einmal ausschließt - meist sofort und ohne Zeitverzug abrufbar. Das stellt die Geschwindigkeit des Hörfunks und des Fernsehens in den Schatten.

Die gesellschaftlich-politischen Folgen des aktuellen "neuen" Mediums sind noch nicht wägbar und meßbar. Sicher ist, daß die computergestützten Online-Medien, die Wissen und Informationen in einem bisher nicht vorstellbaren Umfang und Tempo verfügbar machen, alle eventuell noch vorhandenen Informations- und Meinungsmonopole beseitigen werden. Dadurch könnte auch die Meinungsführerschaft derer einschränkt oder sogar beendet werden, die man heute die "politische Klasse" nennt. Vielleicht wird die repräsentative Demokratie, wie wir sie heute kennen, zur "Beteiligungsdemokratie" weiterentwickelt.

* erschienen in Kommunalpolitische Blätter 1/99, 21. Dezember 1998

 

Berlin, am 17.01.2010
Sehr geehrter Herr Maiworm,
lieber rheinischer Reise-Nachbar,
"Alles ist ja Gewebe" haben Sie auf der Zugfahrt gesagt. Und das war für mich ein Erkennungszeichen.
"Ich brauche Ihre Stimme beim WEB-WERK", habe ich gesagt.
...
Was mich beschäftigt und wobei ich die Möglichkeit von Botschaften an diese unsere schwierige Zeit sehe, kreist um Fragen wie:
Gibt es eine Wiederkehr des GEWEBES?
Im WWW?
...
...
Mit den besten Grüßen und mit Wünschen zum Jahresbeginn -
Silvia Klara Breitwieser

 

18.01.2010
Sehr geehrte Frau Breitwieser,

vielen Dank für die Informationen über Ihr Projekt, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Ihr Projekt soll, wie ich es verstehe, sichtbar machen, wie gesellschaftliche Veränderungen durch (mediale) Kommunikationsprozesse angestoßen bzw. begleitet werden. Dazu habe ich schon 1999 einen Zeitschriftenbeitrag publiziert, den ich Ihnen anbei gerne sende.

Herzlich danken möchte ich auch für Ihre Einladung, an dem Projekt mitzuwirken. Allerdings muss ich Ihnen in aller Klarheit sagen, dass ich dafür nicht die Zeit finden werde. In ein solches Projekt, das ganz anders ist als meine tagesaktuelle Arbeit, müsste ich mit hineindenken und einarbeiten. Dass lässt mein ohnehin knappes Zeitbudget nicht zu. Dafür bitte ich Sie um Verständnis.

Ihnen und Ihrem zweifelsohne reizvollen Projekt wünsche ich viele interessante "Mitspieler" und viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Maiworm
Leiter Bürgerkommunikation / Multimediale Dienste
CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Platz der Republik
11011 Berlin

 

Biografie Michael Maiworm, geb. 29.1.1950, Leiter Bürgerkommunikation/Multimediale Dienste, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Berlin. Langjähriger politischer Journalist und Redakteur, 1983-1991 Pressesprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 1992-2006 Leiter Dokumentation / Internet-Redaktion; seit 2006 Leiter Bürgerkommunikation/Multimediale Dienste

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