Lifesciences

Mark Schmid-Neuhaus
München, Kirchanschöring
portrait

Web-Werk: Anmerkungen zu Silvia Klara Breitwiesers
Web-Werk als Folge einer Begegnung

Bevor ich Silvia Breitwieser als realer Person begegnet bin, war ich Spuren von ihr begegnet in Form von einigen Keramiken, Ausstellungskatalogen und kleinen Kunstobjekten. Diese Spuren waren eher oberflächlich. Keine Faszination, wie sie mir geschieht, wenn ich ein Bild von Mark Rothko vor mir habe. Da berührt mich Farbe und Form unmittelbar und existentiell. Aber Silvia Breitwiesers Tücher oder die vielfältigen Thematisierungen von Geweben? Es bedurfte der persönlichen Begegnung und der gemeinsamen Thematisierungen im Gespräch, um aufmerksam zu werden für den eigentlichen Gegenstand, das eigentliche Thema: Morphologie des Lebendigen, das uns in vielfältiger Form ja ständig begegnet bis hin zum Aspekt, dass jede Frage nach Identität wohl kaum den morphologischen Aspekt auslassen darf.

Die Brücke, über die sich der Dialog mit Silvia Breitwieser entwickelte, war geknüpft an Erinnerungen aus den Anfängen des Medizinstudiums. Zu den wichtigsten Lernprozessen gehören am Anfang die Vorlesungen und die Arbeit in der Anatomie: was ist ein Mensch morphologisch? Haut, Knochen, Muskeln, Nerven, verschiedenste Gewebearten... die verschiedenen Organe... und dann? Physiologie, Chemie...aufwendige, aber unerlässliche Lernprozesse durch das ganze Inventar der Naturwissenschaften. Spätestens bevor man sich zum Physikum anmeldet, weiß man, dass um das konsequente Sich Erarbeiten dieses Wissens keiner herum kommt, der die Prüfungen bestehen will. Plötzlich während der ersten Gespräche mit Silvia Breitwieser über das, was das Thema Gewebe für sie bedeutet, waren bei mir plötzlich die Empfindungen von Faszination wieder präsent, als ich die ersten Male vor einem Mikroskop saß und histologische Gewebeschnitte aufmerksam ansah und mir plötzlich bewusst wurde, was das heißt: Textur des Lebendigen. Histologie - die Lehre vom Gewebe, sichtbar werdend auch durch die Ästhetik, die histologisch bearbeitete Gewebeschnitte einem aufmerksamen Betrachter vermitteln können. Paul Klees bedeutsamer Satz, der mir ganz wichtige Perspektiven und Zugänge zur Kunst überhaupt eröffnet hatte - „Kunst gibt nicht Sichtbares wieder, Kunst macht sichtbar“ - war plötzlich mit im Raum und damit eine neue Perspektive für mich, Silvia Breitwieser mit einer anderen Art von Aufmerksamkeit zu begegnen. Was ist das, was sie sichtbar machen will? u.a. Gewebestrukturen?... daher hat sie die Affinität zu Netzwerkstrukturen und auch eine spezifische Aufmerksamkeit für Themen, die sich mit Geweben, Gewebearten, Netzwerkstrukturen u.ä. befassen.

Im Gespräch wurde das deutlich daran, dass Worte eine andere Dynamik bekamen. Sprache, das Webwerk der Worte, wurde zu einer verbindenden Brücke, die unmittelbar in die Gewebe des Mentalen führte. Und plötzlich ging es um Windeln und neuronale Netzwerkstrukturen, um Gewebearchtitekturen von Stoffen, aber auch von Kommunikationsarchitekturen im Internet... Gewebe, die zu Leben beginnen in dem Moment, wo sie in irgendeiner Form wahrgenommen werden und dann wirksam werden oder längst wirksam sind. Moderne Knotenpunkte wie Neurobiologie rückten ins Rampenlicht. Worin manifestiert sich die Moderne? Wir erforschen jetzt den genauen Aufbau des Nervensystems auf sowohl systemischer, zellulärer und molekularer Ebene und interessieren uns für die Funktionsweisen einzelner Neuronen wie auch ihres Zusammenwirkens im Gewebe (Neurophysiologie); welche Schaltungen gibt es und können wir diese Schaltungen technisch kopieren und z.B. Computerchips entwickeln, die wie eine Retina einem Blindgewordenen wieder ein Stück Sehkraft zurückgeben oder als Cochleaimplantat einem Schwerhörigen wieder Zugang zur Welt des Hörens schaffen kann? Neuroinformatik und künstliche Intelligenz gehören gleichermaßen dazu. Oder Neuroinformatik, die zu neuen Strukturen der Gestaltung des WWW führt. Jetzt beginnt gerade wieder eine neue Phase, die wir Web 2.0 nennen, die uns ganz neue Netzwerkstrukturen erschließt.

Silvia Breitwieser folgt diesen Perspektiven aufmerksam. Wir beginnen mit einer Interaktion, die in mehreren Schritten zu der Struktur des Web-Werkes führt. Silvia Breitwieser übernimmt die Gestaltung. Hier beginnt wohl das, was man Kunst nennt. Ich bin gespannt, was dadurch sichtbar gemacht werden kann im Sinne von Paul Klee, dem ich soviel verdanke, was meinen Zugang zur Kunst und zum künstlerischen Schaffen ausmacht.

 

Biografie Mark Schmid-Neuhaus, Dr. med., MBA (INSEAD), Geboren 1940 in Berlin; in Lenggries /Obb eine ländliche Kindheit und Grundschulzeit bis 1950. Gymnasialzeit in Witten/Ruhr. 1959 -1965 Medizinstudium in Saarbrücken, Hamburg, Innsbruck und Berlin mit großem Asientrip 1963, um in Japan Zen zu entdecken. Leitende Jobs in der chemischen Industrie (Rhône-Poulenc, Henkel, Solvay) incl. MBA(INSEAD) von 1964-1978. Die nächsten 25 Jahre Pionierarbeit in einer Modellinstitution als Leitender Arzt des Zentrums für Gesundheitsförderung: „Der Gesundheitspark im Olympiastadion“ in München und als Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Im Ruhestand Weiterführung einer privaten Praxis für Coaching und Therapie in der Region Salzburg und in München mit neuem Fokus: „Gesundheitskompetenz“ auf den Spuren von Michel Foucaults „Selbstsorge“ und Nietzsches „Großer Gesundheit“.

markschmidneuhaus(AT)t-online.de
WWW http://coachmark-theclearview.blogspot.com